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Anette Frisch

Auf dem Trockenen

Wie es ist, nicht schwimmen zu können, wenn man's eigentlich kann.

Copyright: Anette Frisch



Wenn ich meine Freundin Silke nicht hätte. Die mich immer wieder mit Ideen versorgt, damit ich das Leben meistern kann. Zum Beispiel sagte sie heute morgen, sollte ich mich doch einfach als Geschäftsfrau in einem Hotel einbuchen und dort ein paar Bahnen im hauseigenen Pool schwimmen. Oder: Mir einen See in der Nähe suchen und reinspringen. Aufpassen, dass ich nicht erwischt werde, die Bußgelder in NRW seien ja recht hoch. Wobei ich gar nicht weiß, ob es verboten ist, in einen See zu springen. Spazieren im Wald ist ja auch möglich...


Ich sitze wie viele andere Schwimmerinnen und Schwimmer auf dem Trockenen. Die Menschen hinter den Instagram-Accounts, denen ich folge, lassen sich einiges einfallen, um diese Nichtschwimmphase zu überleben: Sie entwickeln guerillalike Aufbauten, für die sie zum Beispiel ausrangierte Koffergurte, Besenstiele oder Tischplatten verwenden. Das näher zu beschreiben wäre genauso unmöglich wie diese zumeist waghalsigen Konstruktionen auszuüben.


Andere Instagrammer posten sagenhaft schöne Fotos, die sie beim Schwimmen im Serpentine Pond in London zeigen. Sie versehen ihre Beiträge mit einem Disclaimer, der darüber informiert, dass die Aufnahmen aus längst vergangenen Tagen seien. Warum machen sie das? Vielleicht um nicht Gefahr zu laufen von einem sehnsüchtigen Follower verraten zu werden; jenem Follower, der sonst ganz cool ist und seinen Teamspirit mit der Vergabe von Herzchen äußert, bei dem Corona aber mentale Disruptionen ausgelöst hat. Wie Neid.


Dass auch bei mir irgendwas ins Rutschen geraten ist, habe ich vor Kurzem bei einem Spaziergang durch den Park erlebt. Der Park hat einen kleinen See, einen Teich, eben ein Dazwischen. Ich sitze dort gern auf einer Bank und lasse mich von Reflektionen auf der Wasseroberfläche hypnotisieren. Nun beobachtete ich einen kleinen schwarzen Wasservogel mit rotem Schnabel, der immer wieder ab-, und auftauchte. Erst fand ich das ganz niedlich und hübsch; doch dann wurde ich neidisch auf den Vogel. Ich dachte, der kann da so seelenruhig in dem Seeteich schwimmen, einfach tauchen und sich gleiten lassen. Kein Vogelstau auf seiner Bahn. Und ich erinnerte mich, wie es ist, im Wasser zu sein.


Der Körper wird auf eine Art vom Wasser umarmt, wie ich es nicht kenne, wenn ich umarmt werde von wem auch immer. Dann diese Stille unter Wasser, wenn mit einem Mal alle Geräusche zu einen dumpfen-warmen Mollton zusammengezogen werden. Manchmal verwandle ich die Moll-Atmo in ein Dur-Setting. Wenn ich gerade mit dem Schwimmen begonnen habe und mir noch kalt ist, schreie ich unter Wasser so laut und so lange, bis mir die Kälte egal geworden ist. Ich komme mit dann ein bisschen vor wie Helen Zengel in ihrer Rolle als Benni in "Systemsprenger". Nur in Erwachsen. Nach vier, sechs meist acht Bahnen finde ich mich im Wasser zurecht. Ruhiges Atmen wird zum Sound meiner Bewegungen und Arme und Beine können sich aufeinander verlassen. Spätestens jetzt wird das Schwimmen zum Wasserspaziergang.


Und plötzlich wurde ich traurig.


Zum ersten Mal wurde mir beim neidischen Vogelbetrachten bewusst, dass es dieses Jahr für mich kein regelmäßiges Bahnenziehen geben wird. Weil die Frei- und Seebäder (wahrscheinlich) geschlossen bleiben und ich nicht ans Meer reisen kann. Mein Plan, im April einen Wildswimming-Kurs in Irland zu machen, hatte ich ja schon aufgegeben und innerlich auf September gelegt - ohne zu ahnen, dass ich den Sommer 2020 ohne Schwimmen erleben werden muss. Das hat es seit meinem 21. Lebensjahr nicht gegeben.


Ich bekomme regelmäßig den Newsletter von Other Stories. Wahrscheinlich weniger wegen der Klamotten, sondern wegen des Namens. Just heute warben sie mit dem Titel "Swimwear dreaming".


Ich habe mich gegen die swimwear aber fürs dreaming entschieden. Ich werde mir jetzt Seen suchen. Und was ich erlebe, darüber werde ich schreiben.



English version translated by DeepL:


On dry land


If I didn't have my friend Silke who keeps giving me ideas so I can get on with life. For example, this morning she said I should just book myself into a hotel as a business woman and swim a few lengths in the hotel's own pool. Or: Find a lake nearby and jump in. Be careful not to get caught, the fines in NRW are quite high. But I don't know if it is forbidden to jump into a lake. Walking in the forest is also possible... I am sitting on dry land like many other swimmers. The people behind the Instagram accounts that I follow have come up with a lot of ideas to survive this non-swimming phase: they develop guerrilla-like superstructures for which they use discarded suitcase straps, broom handles or table tops, for example. It would be just as impossible to describe this in more detail as it would be to carry out these mostly daring constructions. Other Instagrammer post fabulously beautiful photos showing them swimming in Serpentine Pond in London. They add a disclaimer to their posts informing that the photos are from days long gone. Why are they doing this? Maybe to not run the risk of being betrayed by a longing follower; the follower who is usually quite cool and expresses his team spirit by giving away hearts, but for whom Corona has caused mental disruption. Like envy. I recently experienced that something has started to slip in my case as well, when I took a walk through the park. The park has a small lake, a pond, just in between. I like to sit there on a bench and let myself be hypnotized by reflections on the water surface. Now I watched a small black water bird with a red beak, which kept coming and going. At first I thought it was quite cute and pretty; but then I became jealous of the bird. I thought it could swim so calmly in the pond, just dive in and let itself glide. No bird jam in its path. And I remembered what it was like to be in the water. The body surrounded by water, the way I don't know what it's like when I'm surrounded by whatever. Then the silence I use sometimes to get away. For example, when I just jumped in and I'm still cold. Then I scream so loud under water that I don't care about the cold. A bit like Helen Zengel in her role as Benni in "System Splitter". That's how I feel then, only as an adult and for a few seconds. After four, six, mostly eight lanes I find my way around the water. Breathing becomes the sound of my movements and arms and legs can rely on each other. At the latest now swimming becomes a water walk. So beautiful... And suddenly I became sad. For the first time I realized while enviously looking at the birds that this year there will be no regular track for me. Because the open-air and seaside resorts will (probably) remain closed and I cannot travel to the sea. I had already given up my plan to do a wild swimming course in Ireland in April and internally I had put September on the agenda - not realising that I would have to experience the summer of 2020 without swimming. This has not happened since I was 21 years old. I regularly receive the newsletter of Other Stories. Probably not so much because of the clothes, but because of the name. Just today they advertised with the title "Swimwear dreaming". I decided against swimwear but for dreaming. I'm going to look for lakes now. And what I experience, I will write about. Translated with www.DeepL.com/Translator (free version)

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