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Anette Frisch

Our Wives Under The Sea

Toller Buchtitel. Tolles Artwork. Tolles Buch? Besprechung des Romans Our Wives Under The Sea von Julia Armfield, die für Debüt den Polari Prize für LGBTQ+-Literatur gewonnen hat





Worum geht’s?

Die Ehefrau von Miri, Leah, ist Tiefseeforscherin. Bei einem Tauchgang mit einem U-Boot bleibt die dreiköpfige Crew, zu der auch Leah gehört, zunächst verschollen und kehrt nach sechs Monaten aus der Tiefe zurück. Doch nichts ist, wie es war. Der Körper der Wissenschaftlerin verwandelt sich zunehmend in eine Art Meereswesen, das Salzwasser trinkt und von Wasser umschlossen in der Badewanne liegen muss. Die Geschichte wird abwechselnd aus der Perspektive von Leah und Miri erzählt, die in ihren Berichten der Frage nachgehen, was in der Tiefe geschehen ist – und wie und ob das gemeinsame Leben möglich sein wird. Dabei pendelt der Roman zwischen – nicht zu viel – Science-Fiction, Krimi und Liebesgeschichte.


Was kann es?

Vor allem zu Beginn einen Sog erzeugen und Bilder, die an Szenen von Body-Horror-Regisseur David Cronenberg erinnern. Nicht umsonst lieben die beiden Protagonistinnen seine Filme, allen voran „Die Fliege“, in dem, aufgrund eines wissenschaftlichen Experiments, ein Mensch zur Fliege wird. Dieses Motiv – die Verwandlung von Mensch zu Tier – zieht sich durch den Roman. Wir erleben Leahs Transformation; erst blutet aus unerklärlichen Gründen ihr Gaumen, dann die Ohren und später die Haut.


Für die ersten 80 bis 100 Seiten ist der Wechsel der Erzählungen von Leah und Miri interessant, und der englischen Autorin Julia Armfield gelingt es, das vorherige und jetzige Leben und die Liebe der beiden überzeugend miteinander zu verbinden. Plus dem mysteriösen Setting, das den Roman in einen dumpfen Mollton taucht.

Dann aber wird es langweilig, weil sich die Geschichte immer wieder um dieselben Themen dreht – Beziehung, Tod, Tiefsee, Freundschaften – mit dem Unterschied, dass sie mit unterschiedlichen Szenen ausgeschmückt werden. Dabei will ich als Leserin doch endlich erfahren, was im Bereich des Hadals – den tiefsten Tiefen des Ozeans – geschehen ist.


Was mich außerdem stört: Es passieren Dinge, die an klebrigen Horror-Haaren herbeigezogen wirken und die keine Bewandtnis haben. Achtung, Spoiler: Nachdem die Technik wieder funktioniert und das U-Boot aufsteigen kann, lugt plötzlich ein großes Auge durchs Fenster – das war’s. Oder: Im Schiff riecht es ständig nach verbranntem Menschenfleisch und warum, auch das bleibt offen. Auf mich wirkt dieses Konzept nicht austariert genug und zu gewollt.



 

"A gothic fairy tale, sublime in its creepiness.“

Florence Welch 


 


Was hat es mit mir zu tun?

Sehr, sehr wenig. Ich fand den Titel stark und das Cover gut. Als ich bei Topping & Company Booksellers in Edinburgh die erste Seite las, hatte es mich. Wie gesagt, der Anfang zieht in die Geschichte hinein. Aber als Leah ab dem zweiten Kapitel aus verschiedenen Körperöffnungen blutet, fragte ich mich zum ersten Mal, was ich da eigentlich gekauft hatte. Ich mag das Splatterhafte à la Cronenberg nicht mehr, obschon ich als junge Frau „Die Fliege“ mit Jeff Goldblum in der Rolle des Wissenschaftlers – und später des Insekts – großartig fand.


Warum ich es trotzdem bis zum Ende gelesen habe? Weil ich wissen wollte, was passiert war, warum sich Leah verändert und was aus ihr wird. Den dumpfen Mollton des Romans habe ich heute Morgen beim Schwimmen nicht abstreifen können. Irgendwie klebt die Geschichte wie der Glibber der Protagonistin noch an mir.  

Unangenehm.


Warum sollte mich das interessieren? Gute Frage. Wenn du Science-Fiction oder Mystery-Geschichten magst, ein Interesse für Tiefseeforschung hast und gern Horror-Geschichten liest, dann ist Our Wives Under The Sea vielleicht ein Buch für dich. Und wenn du ein Fan von Florence ‚And The Machine‘ Welch bist, dann überzeugt dich vielleicht ihr Lob auf das Buch: „A gothic fairy tale, sublime in its creepiness.“ Florence Welch 


Über die Autorin

Julia Armfield ist Schriftstellerin und lebt in London. Sie stand auf verschiedenen Shortlist und gewann Preise für ihre Kurzgeschichten. Our Wives Under The Sea ist ihr Debütroman, für den sie im Jahr 2023 den Polari Prize bekam, der britische Literaturpreis für LGBTQ+-Literatur.  

 

Kostprobe

The deep sea is a haunted house: a place in which things that ought not to exist move about in the darkness. Unstill, is the word Leah uses, tilting her head to the side as if in answer to some sound, though the evening is quite – dry hum on the road outside the window and little to draw the ear besides. "The ocean is unstill", she says, "further down than you think. All the way to the bottom, things move." She seldom talks this much or this fluently, legs crossed and gaze towards the window, the familiar slant of her expression, all her features slipping gently to the left. I'm aware, by now, that this kind of talk isn't really meant for me, but is simply a conversation she can't help having, the result of questions asked in some closed-off part of her head. "What you have to understand", she says, "is that things can thrive in unimagineable conditions. All they need is the right sort of skin." (...)

Julia Armfield, Our Wives Under The Sea, published 2022 in paperback by Picador, 240 pages, circa 10 Euros

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