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Anette Frisch

Je kälter, desto besser

Aktualisiert: 7. Feb.

Eine neue Studie der University College London belegt, dass sich Schwimmen im kalten Wasser positiv auf die Menopause auswirkt.


Eine Frau schwimmt in der schottischen See. Sie trägt Handschuhe, weil das Wasser so kalt ist.
In Schottland tragen die Ladies Handschuhe. Die Wassertemperatur im Firth of Lorch liegt im Sommer bei rund 13 Grad. © Anette Frisch

Wer sich für Schwimmen und die Menopause interessiert, kommt an Joyce Harper nicht vorbei. Die Professorin für Reproduktionswissenschaften leitet das Institut für Frauengesundheit am University College London und ist leidenschaftliche Freiwasserschwimmerin.


Als wäre das nicht genug, betreibt Joyce Harper auch einen unglaublich guten Podcast. In "Why didn't anyone tell me this" bringt sie ungemein interessante Gesprächspartner:innen zusammen, von denen ich glaube, dass alle miteinander befreundet sind. Die Gespräche sind oft persönlich und ich erfahre Dinge, die mich faszinieren und die ich gern von UK nach D importieren würde. Zum Beispiel Day Raves. Da geht man um zwei Uhr mittags hin, tanzt bis sechs Uhr abends, fährt dann erfüllt und putzmunter nach Hause, kann sich noch eine Folge “Yellowstone“ auf Paramount erlauben, bevor es ins Bett geht. Ekstase zu Bürozeiten. Mir gefällt das.


Joyce Harper hat vor Kurzem mit weiteren Wissenschaftler:innen eine Studie herausgebracht. Das Team geht darin der Frage nach, wie sich Schwimmen im See, Fluss oder Meer auf menopausale Symptome auswirkt. Ich will in dem Zusammenhang nicht von Beschwerden sprechen. Denn das, was man als Frau in der Menopause verspürt, sind physiologische Umverteilungen in Fasern, Gewebe, Blutgefäßen, in Muskeln, Sehnen und im Hirn. Es herrscht eine gewisse Orientierungslosigkeit zwischen den Systemen, die ein Jahrzehnt anhalten kann, bis alles wieder passt. In dieser Zeit fragen sich viele Frauen, wie sie den Systemabsturz vermeiden können. Würden sie sich an Joyce Harper wenden, lautete ihre Antwort: "Geht schwimmen, und zwar in kaltem, klaren Wasser!"


Eine Frau im Wetsuit und Flip-Flops ist dabei über eine Treppe in einen See zu steigen.
Ob mit Badeanzug oder Wetsuit: Egal was Frau trägt, jede profitiert von den Bonuseffekten kalten Wassers. © Anette Frisch

Weniger Angst und Hitze ist das zentrale Ergebnis der Online-Befragung, die Harper und das Team letztes Jahr mit gut 1.100 Frauen durchgeführt hat. Voraussetzung war, dass die Mitwirkenden regelmäßig in offenen Gewässern schwimmen. 785 der Frauen waren in der Menopause, ihr Durchschnittsalter lag bei 49 Jahren.


  • 46.9 Prozent aller Befragten gaben an, durch das Schwimmen weniger Angstzustände zu haben,

  • 34.4 Prozent hatten weniger Stimmungsschwankungen,

  • 31.1 Prozent fühlten sich weniger niedergeschlagen,

  • 28 Prozent hatten weniger Depressionen,

  • 30.3 Prozent litten seltener unter Hitzewallungen,

  • und 20 Prozent schwitzten nachts weniger.



 


"Das Schwimmen im kalten Wasser hat mir geholfen, meine Ängste zu überwinden. Ich fühle mich stark und habe Vertrauen zu mir, selbst wenn die Welt mir suggerieren möchte, dass ich überflüssig sei." Schwimmerin, 56 Jahre



 

Schwimmen im kalten Wasser hat Bonuseffekte


Dass sich Schwimmen generell positiv auf Körper und Seele auswirkt, ist keine neue Erkenntnis. Wer schwimmt, trainiert alle Muskelgruppen, der Auftrieb im Wasser schont Gelenke und hält sie geschmeidig, der regelmäßige Atemrhythmus wirkt beruhigend, stärkt die Lungen und das Herz-Kreislaufsystem. Außerdem setzt die stärkere Durchblutung des Körpers Endorphine frei, die für Gefühle von Glück und Verbundenheit mit der Welt sorgen.


Schwimmen im kalten Wasser allerdings hat offensichtlich Bonuseffekte: Im Jahr 2018 sorgte ein Ärzteteam für Aufmerksamkeit, das einer schwer depressiven Patientin regelmäßiges Schwimmen im Meer verordnete. Der ungewöhnliche Ansatz hatte Erfolg: Die Stimmung der Frau verbesserte sich so gravierend, dass sie im Laufe des Programms ganz auf Antidepressiva verzichten konnte.


Darüber hinaus entdeckte ein Team der Universität Cambridge im Jahr 2020 bei einer Gruppe von Winterschwimmer:innen einen erhöhten Spiegel des Proteins RBM3. Dieser Baustein trägt dazu bei, das Absterben von Zellen im Gehirn zu verringern. Das geschieht unter anderem bei Demenzkranken, aber auch in den Wechseljahren, weil der Östrogenspiegel sinkt.



Zwei Frauen im Wetsuit schreiten aus dem Meer. Im Hintergrund sieht man einen Teil des Strandes, umgeben von grünen Bäumen.
Frauen genießen das Zusammensein mit anderen Schwimmerinnen. "Die Kameradschaft, die gemeinsamen Geschichten und das Lachen sind Teil des Zaubers", sagt eine 54-jährige Studienteilnehmerin. © Anette Frisch


Just keep swimming


Zum ersten Mal in der Forschungen haben Joyce Harper und das Team den Zusammenhang hergestellt zwischen Freiwasserschwimmen und Wechseljahren und die physiologischen Vorteile benannt. Die Wissenschaftler:innen wünschen sich, dass die Ergebnisse nun näher erforscht werden und Frauen verstärkt die Möglichkeit gegeben wird, im Freien sicher schwimmen zu können.


Auch das wäre etwas, was ich von UK nach D importieren würde: Öffnet hierzulande mehr Freibäder, Seen oder ruhige Flüsse, um das gesamte Jahr draußen schwimmen gehen zu können. Und solange das nicht geschieht, treffen wir uns

weiterhin dort, wo Wasser ist. Egal, ob drinnen oder draußen, Hauptsache davon umgeben.






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